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Aufbau der Ausstellung und Erfahrungsaustausch I

Erfahrungsaustausch I

Es ist ein Lachen, Reden und Dirigieren beim Aufbau der Projekte in der großen 110-Kilo-Volt-Schathalle des Umspannwerks der Imaginata in Jena am ersten Tag der Lernstatt Demokratie. Die einen lassen in der Eile die Stecknadeln fallen, andere suchen farbiges Papier, wieder andere ihre Stellwand -"das ist ganz schön verwinkelt hier!". Das Projekt 207 ist noch nicht da, jemandem ist der Projektpartner abhanden gekommen, hier und da entdeckt man bekannte Gesichter -und: "Hey, wo bekommt man diese Informationsmappe?", allenthalben Fragen! In der ersten halben Stunde schwanken die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zwischen leichter Orientierungslosigkeit und einer noch undeutlich artikulierten Vorfreude auf das Kommende.

Kurz darauf beginnt nach der Eröffnungs- und Begrüßungsrunde die Projektausstellung. Oft wird der Wunsch laut, hierfür mehr Zeit zu bekommen. Es gibt zu viel zu sehen; zu viel, zu komplex, zu unterschiedlich sind die Projekte. Da laufen zum Beispiel Leute mit T-Shirts herum, auf denen "Jugend @ Business" steht, Henne Henriette bezaubert mit ihrem Pappmachécharme, gleich nebenan gibt es überdimensionale Buntstifte, und ein 15kg schwerer Rucksack des Projekts "Sich Zeit nehmen" wiegt viel schwerer als 15 Kilogramm wiegen sollten! Es reicht jetzt nur für ein erstes Hinsehen, für ein paar kurze Gespräche und zu einem flüchtigen Registrieren eines besonderen Fotos, einer originellen Idee, einer Überschrift, die einen Gedanken anspricht. Im Verlauf der nächsten Tage wird man in den Pausen immer wieder Menschen vor den Stellwänden stehen sehen.

Erfahrungsaustausch II

Am nachfolgenden Tag findet der zweite Teil des Erfahrungsaustausches statt. Da werden zunächst spektakuläre Namen reinsten Imaginata-Feelings gelassen ausgesprochen: Die Gruppen treffen sich etwa in der Trafo-Box 1 oder in der Meta-Box 2. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer meiner Gruppe schildern unter der Anleitung von Josie-Marie Perkuhn und Kurt Ohmann, zwei Mitgliedern der Jury, ihre persönlichen Erfahrungen, die sie während der Projektarbeit gemacht haben. Da kommt zunächst eine Menge mehr Realismus ins Spiel, als man es von Projekten erwartet, die so erfolgreich sind wie die hier versammelten. Viele erwähnen die positive Resonanz von allen Seiten, haben aber den Eindruck, als handele es sich dabei um ein schnell dahin gesprochenes Lob, als fehle das weitergehende Interesse für ihr Projekt. So vermuten Ulrike und Laura, dass ihre Mitschüler sich das deutsch-polnische Theaterstück vorwiegend angesehen haben, "weil es schulfrei gab". Und alle kennen sie die Probleme der Finanzierung. Er sei enttäuscht, dass die ganze Welt nur auf die Finanzen schaue, gibt Holger zu Protokoll: "Wer sponsert Kostüme, Tickets und Baumaterial?" Ein leidiges Thema, das an den Nerven nagt und Motivation kostet.

Im Laufe dieser Gespräche geraten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei allem Realismus dann aber doch in Begeisterung, wenn sie von ihren Erfahrungen und Unternehmungen berichten. Marius vom Projekt "Juden in Gotha" hat Stadtspaziergänge organisiert und von der Schule "enorme Unterstützung" bekommen. Das Wanderprojekt "Sich Zeit nehmen" wird immer wieder um Fortsetzung gebeten. Das Sinnesgarten-Projekt hat den Erfolg in der Gruppe gemerkt, als Vorurteile und Ängste zwischen behinderten und nicht-behinderten Jugendlichen abgebaut wurden. Holger und Tobias von "RechtsRock" haben ihr Projekt zuerst nur für das Oberstufenkolleg geplant, dann befand es ihre Umgebung als "zu schade, um in den Keller zu wandern", jetzt ist es mit über 50 Stellwänden ein "Koloss von Ausstellung". Laura und Ulrike nehmen aus ihrem Theater-Projekt "IM-Puls" den Erfolg mit, dass sie sahen "wie so ein Text zum Stück wurde".

Es ist ein lebhafter, interessierter Erfahrungsaustausch in diesem Jahr, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer fragen nach und spinnen Gespräche untereinander. Am Ende bleibt der Eindruck "aber das kriegen wir hin" - "das hat geklappt".

Die Präsentation

Ergebnisse und Eindrücke der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den Gesprächsrunden werden anschließend in einer gemeinsamen Präsentation dargestellt. Was verbindet alle Gruppen, wo finden sich Gemeinsamkeiten? Meine Gruppe will eine Brücke darstellen, als Symbol für das Vernetzende, auch für die Hindernisse. Eine Brücke zu überqueren, bedeute, "aktiv zu werden", und nicht zuletzt "müsse man sich auf die einzelnen Steine verlassen!" Die Teilnehmer denken sich ein kleines Rollenspiel aus. Mit Schildern versehen, gehen einige in den Widerstand: "Nein" oder "Dagegen", "kein Geld" oder "sozialer Widerstand" steht darauf und sie stellen sich dem Projekt entgegen. Zum Glück gibt es noch die Projekt-Sympathisanten namens "Demokratie" oder "Kreativität", die das schon verzagte Projekt durch den Widerstand ziehen und schieben, den Widerstand letztendlich sprengen, so dass das Projekt die Brücke überqueren kann, ohne "ins Wasser zu fallen". Eine andere Gruppe hat sich ein kleines, witziges Theaterstück ausgedacht. Vorne steht ein Verkäufer in einem Warenhaus und berät Kunden. Alles kann man kaufen: Eine Waschmaschine (von Siemsen, denn die sind immer gut), sogar einen Hund - mit Flecken oder ohne? Dann kommen die Probleme, mit denen sich die einzelnen Projekte befasst haben: Haben Sie etwas zum Streitschlichten? ("Nee, aber Medikamente") Etwas gegen Kinderarbeit in Indien? ("Fragen Sie mal beim Arbeitsmarkt") Ich hab da so'n Problem mit Drogen, haben Sie da was? (Verkäufer zieht die Luft ein, überlegt!) Das Fazit lautet: Nicht aufgeben, nur weil man etwas nicht kaufen kann! Wir brauchen das nicht: Wir haben ein Problembewusstsein, einen langen Atmen und Zivilcourage, heißt es entschieden. Und wenn wir mal Hilfe brauchen, wer hilft uns dann? fragt noch ein Zweifler. Doch da steht das ganze Publikum auf: "Ich! - Ich! - - Wir!!" Na klar, denn wir sind in Jena: Herzlich Willkommen auf der Lernstatt Demokratie 2005. (15. Juni 2005, Marie Wöpking, Berlin)

 
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