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Demokratiepädagogik - eine aktuelle Aufgabe für die Schule

Ein Bericht von einer Lehrerfortbildung Myriam Schwarzer

Demokratie ist auch ein Resultat menschlicher Erziehung. Sie ist nicht eine Regierungsform, sondern muss auch als Gesellschafts- und Lebensform verstanden werden. Erfahrbar wird sie durch Zugehörigkeit, Mitwirkung, Anerkennung und Verantwortung. Die Schule muss sich der Aufgabe der Demokratieerziehung stellen und ihre Ziele, Inhalte, Methoden und Umgangsformen anpassen. So ergibt sich für das Projektlernen als grundlegend demokratisch angelegte pädagogische Großform eine besondere Bedeutung. Daraus resultiert eine große Herausforderung für Lehrerinnen und Lehrer. So steht es im "Magdeburger Manifest", einem Grundlagentext zur "Demokratiepädagogik", der bei dieser Fortbildungsveranstaltung eine wichtige Rolle gespielt hat.

"Demokratiepädagogik" - Unter diesem Schwerpunkt veranstaltete das Förderprogramm Demokratisch Handeln in Kooperation mit der Sächsischen Akademie für Lehrerfortbildung eine dreitägige Veranstaltung, in deren Zentrum der Erfahrungsaustausch zu den Fragen "Wie können Schülerinnen und Schüler in die Planung und Durchführung von Projekten einbezogen werden?" und "Wie können die Projekterfahrungen unter Beachtung demokratiepädagogischer Prämissen dokumentiert werden?" stand.

Mittelschüler coachen Grundschüler als Schülersprecher! Ein Einstieg in die Gruppenarbeit

Eine knappe Befragung von Wolfgang Beutel (Geschäftsführer Förderprogramm Demokratisch Handeln) und Wolfgang Wildfeuer (Regionalberater in Sachsen) führt uns in das Thema hinein. Markus Vogelsang, Schüler der Mittelschule Niederwiesa, stellt anschließend das Projekt "DemokraGrundschulen" vor, mit dem er in diesem Jahr zu der vom Förderprogramm Demokratisch Handeln organisierten Lernstatt Demokratie nach Jena reisen konnte. Daran sollten nun die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fortbildung anknüpfen.

Sich den anderen vorstellen und zugleich aus der eigenen Arbeit in Blick auf das gemeinsame Thema berichten - keine leichte Aufgabe zum Auftakt! Doch es gelang: es bildeten sich anknüpfend an das Interesse an diesen Projektarbeiten zwei Gruppen, die sich - ausgehend von Ihren Erwartungen an die Fortbildung - Arbeitsaufträge gestellt haben.

In der ersten Gruppe ging es um eine Verständigung über Sinn und Zweck von Projektarbeit. Ergebnis war, dass die Projektarbeit als Unterrichtsmethode die Möglichkeit der Teamarbeit bietet, Raum für eigene Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler lässt und diese so ihre Möglichkeiten und Grenzen kennen lernen. Zudem entstehen andere Umgangsformen sowohl unter den Schülern als auch zwischen Lehrern und Schülern. Projektarbeit bedeutet aber auch das Übernehmen von Verantwortung durch Schülerinnen und Schüler.

Ein weiterer Diskussionspunkt war die Frage nach den Möglichkeiten, eine Basis für Projektarbeit zu schaffen. Dabei verständigten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer darauf, dass neben eigenem Selbstbewusstsein, eigener Motivation und einer Konzeption für das Projekt eine Präsentation und Dokumentation wichtig ist, durch die Mitstreiter wie Schulleitung, Kollegen und Eltern gewonnen werden können. Als problematisch wurde Projektarbeit empfunden, die ohne Unterstützung der Schulleitung und der Schulämter auskommen muss und nicht in eine Schulkonzeption eingebettet ist. Denn dann bleiben nur die Möglichkeiten, das Gespräch mit der Schulleitung zu suchen oder sich in seiner Arbeit allein auf sich und die Schülerinnen und Schüler zu konzentrieren, die an einem Projekt beteiligt sind. Die Gruppe verständigte sich darauf, dass es - um eine gute Ausgangslage für Projektarbeit zu erreichen - sinnvoll ist, eine Zukunftswerkstatt zu organisieren, die eine Auswertung des zurückliegenden Arbeitsjahres vornimmt, Verantwortlichkeiten festlegt und in Arbeitsgruppen Veränderungen vornimmt.

Der Start in der Arbeitsgruppe war nicht ganz unproblematisch, denn so manches der Gruppenmitglieder fühlte sich in der hier gewählten Form mächtig gefordert. Es gab zunächst wenige Vorgaben durch Experten und Tagungsleitung - vielmehr sollte die eigene Erfahrung und Absicht den ersten Arbeitsschritt und seine Ergebnisse lenken. Dennoch, die Lehrerinnen Lehrer fanden in ihr Thema hinein und auch die abendliche Gelegenheit, bei informellen Gesprächen in der alten Elbestadt das eine oder andere Problem des Lehrerberufes offener und persönlicher zu wenden, hat zu einem erfolgreichen Tagesabschluss beigetragen.

Kriterien zur Projektarbeit aus der eigenen Erfahrung herausholen - Der zweite Tag

Am zweiten Tag standen für den Erfahrungsaustausch die Fragen "Welche Aufgabenbereiche sind im Bezug auf Projektarbeit möglich?" und "Welche Ziele verfolgen Projekte?" zur Diskussion. Doch die Gruppe bewegte sich weg von diesen Arbeitsausträgen hin zu der Frage "Welche Kompetenzen braucht ein Schüler in der Demokratie?"

Man einigte sich auf drei verschiedene Kompetenzen. Zunächst als höchste die moralische, die dazu befähigt, Probleme und Aufgaben vor dem Hintergrund der Frage nach dem "richtigen oder auch guten Handeln" zu reflektieren. Hinzu kommt die fachliche Kompetenz, die Wissen auch über Arbeitsmethoden enthält und schließlich benötigt es der sozialen, kommunikative Kompetenz. An einem konstruierten Beispiel wurde die Entwicklung dieser Kompetenzen im Rahmen einer Projektarbeit verdeutlicht. Schüler und Schülerinnen brauchen zur Gruppenfindung, zur gegenseitigen Akzeptanz und für die Übernahme von Eigenverantwortung für die Gruppe soziale Kompetenzen, zum Erstellen eines Arbeitsplans methodische Kompetenzen, aber natürlich auch Wissen, das in die Projektarbeit einfließen kann.

Dennoch: So ganz glücklich war man mit dem erreichten Arbeitsstand doch nicht. Ausgehend von einer Unzufriedenheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer über den bis dahin noch ausstehenden Theorieteil entstand eine Debatte über die Anlage der Veranstaltung, wobei der Gesamtmoderator diese Konzeption verdeutlichte - und an die Verantwortung der Teilnehmerschaft für das Gelingen und das Ergebnis erinnerte: Die als Erfahrungsaustausch organisierte Lehrerfortbildung hat zum Ziel, aus den eigenen Bedürfnissen heraus Problemfelder abzuleiten, die bearbeitet werden und aus deren Lösung Handlungskompetenzen erweitert werden. Die Theorie bezieht sich dann nachfolgend auf die Prinzipien der Erfahrung und die so gewonnenen Fragen, Thesen und Ergebnisse.

Die Gruppe nahm dies als Impuls zur Weiterarbeit und widmete sich der letzten selbst gestellten Aufgabe. Es ging um die Frage "Wie können Projektergebnisse nachhaltig genutzt werden?". Sie kam zu dem Ergebnis, dass eine schriftliche Dokumentation von Projekten durch verschiedene Teilnehmerkreise, also auch unter Mitwirkung von Schülerinnen und Schülern, aus verschiedenen Gründen wichtig ist. Zunächst kann eine solche Dokumentation Klarheit über Weg und Ziel des Projekts verschaffen. Sie gibt Aufschluss über mögliche Probleme in der Projektarbeit und hilft, Tipps für die Weiterarbeit am Projekt, aber auch für kommende neue Projekte zu gewinnen. Zudem kann eine Dokumentation, wenn sie Kollegen öffentlich zugänglich ist, als Anregung dienen und auch für eine Anerkennung der Projektleistung sorgen. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten der Dokumentation, zum Beispiel Mappen, Filme, Ausstellungen, Zeitungen, Theateraufführungen, Raum- oder Schulhofgestaltungen.

Es folgte eine Präsentation der Ergebnisse im Plenum. Auch die andere Gruppe, die sich mit der Frage beschäftigt hatte, wie die Zusammenarbeit von Schülern, Eltern und Lehrern effektiv gestaltet werden kann, stellte ihre Resultate und die offen gebliebenen Punkte zur Diskussion.

Im anschließenden Gesamtplenum ging es um die Frage, wie Eltern in die Arbeit in der Schule miteinbezogen werden können. Im Erfahrungsaustausch wurde deutlich, dass die Arbeit der Schule für Eltern transparent sein muss und dass Kommunikationskanäle zwischen Schule und Eltern aufgebaut werden müssen. Dies kann in Form von Fragebögen, Gesprächen bei Elternabenden, Teilnahme der Schulleitung bei Sitzungen der Elternvertretung, durch eine Schulzeitung oder durch Unterrichtsbesuche der Eltern geschehen. Eltern müssen mit ihren Bedürfnissen akzeptiert und in Entscheidungen der Schule einbezogen werden, um sie zu einer Mitarbeit und zu einer Übernahme von Verantwortung zu motivieren. Es bedarf also eines empathischen Prozesses, in dem Gemeinsamkeiten zwischen Lehrer-, Schüler- und Elternbedürfnissen hergestellt wird. Im Gespräch kam auch die Idee auf, Weiterbildungsmöglichkeiten für Elternvertreter zu intensivieren und für Eltern ein Beratungsangebot durch Lehrerinnen und Lehrer zu gewährleisten.

Diese zweite Arbeitsphase endete mit einer Vorstellung eines Versuchs, ein Kompetenzmodell stufen- und themenspezifisch in eine schulische Handlungsmatrix umzusetzen. Regionalberater Roman Thömmes berichtete von dem Modell, das derzeit an den Schulen des Saarlandes diskutiert wird.

Vortrag und Projektberatung - nun doch: Endlich die Theorie am Abschlusstag

Dieser Tag begann mit einem Vortrag von Wolfgang Beutel zum Thema "Partizipation von Schülerinnen und Schülern - Eine Perspektive für die Demokratiepädagogik". Partizipation wird dabei zunächst entfaltet als Ziel und Auftrag der demokratisch nach innen verfassten Schule - eine Errungenschaft der neueren Verrechtlichung und Demokratisierung der Schulen einerseits - ein janusköpfiges Phänomen andererseits, das bekanntlich einen enormen Gremienaufwand einem vergleichsweise bescheidenen Spektrum an Entscheidungsmöglichkeiten gegenüberstellt. Wolfgang Beutel entwickelte die Partizipationsdimension aus schulrechtlicher und schulgeschichtlicher Perspektive und erweiterte angesichts dieser ambivalenten Stellung der Partizipation durch die Schülermitverwaltung diese Blickrichtung durch die Dimension der "Demokratiepädagogik". In Erinnerung an die Demokratiegebote des Grundgesetzes und an eine neuere demokratietheoretische Bestimmung schulischer Erfahrungsräume - wie sie das genannte "Magdeburger Manifest" vorstellt - wird hier eine Möglichkeit sichtbar, dem Partizipationsdilemma der verfassten Schülermitbestimmung durch Partizipationserfahrungen in Projekten zu substantiellen Themen und Aufgaben der Demokratie ergänzend beizuspringen. Daran schloss sich die Präsentation der "Standards der Demokratiepädagogik" an, wie sie - basierend auf einem Entwurf des Politikdidaktikers Gerhard Himmelmann - zur Zeit im Rahmen des "European Year of Education through Democratic Citizenship" (EDC) diskutiert werden.

Im letzten Themenblock ging es um die Frage, wie Projekte dokumentiert werden, insbesondere wenn sie beim Förderprogramm Demokratisch Handeln eingereicht werden sollen. Dabei machte Wolfgang Beutel klar, dass Demokratisch Handeln anschauliches Material benötigt, das das Ausgangsproblem verdeutlicht, den Prozess und das Ergebnis der Projektarbeit beschreibt beziehungsweise Zwischenbilanz zieht. Im Mittelpunkt steht die Frage danach, was Schülerinnen und Schüler, aber auch Lehrerinnen, Lehrer und Eltern, im Rahmen der Projektarbeit gelernt haben und welche Auswirkungen das Projekt auf die Schülerinnen und Schüler und deren Umwelt hat. Auch muss eine Dokumentation den Zusammenhang zwischen Projekt und Demokratie aufzeigen. Beim Verfassen der Dokumentation ist es nötig, sich vom eigenen Standpunkt zu entfernen und elementare Informationen über die Schule mitzuteilen. Auch eine Information darüber, inwieweit das eingereichte Projekt an der betreffende Schule etwas Besonderes ist und ob es als Reaktion auf ein einmaliges oder generelles Problem an der Schule entstanden ist, ist notwendig. Eine Einbindung der Schülerinnen und Schüler in die Dokumentation ist von großer Bedeutung, wobei die Schulart bei der Bewertung der Dokumentation durchaus berücksichtigt wird.

So endete das Seminar dann doch mit dem Gefühl und Eindruck bei der Teilnehmerschaft, Anregungen gewonnen und Erfahrungen ausgetauscht zu haben, in der eigenen Arbeit bestärkt zu sein und auch in der Absicht, Projekte beim Förderprogramm Demokratisch Handeln einzureichen. Das am Rande und im Verlauf der Tagung aufgetretene Bedürfnis einiger Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach "mehr Theorie" zum Thema "Demokratiepädagogik" wurde so souverän aufgeholt - wenngleich die Reihenfolge der Schritte immer noch Anlass zur Kritik gegeben hat. Dennoch: Eine gelungene Tagung zu einem wichtigen Thema; nicht zu vergessen der Hinweis, dass der eine oder die andere die Neugierde zu diesem Themenfeld Anfang März 2006 in der Sächsischen Akademie für Lehrerfortbildung beim dann dort stattfindenden Symposium "Demokratiepädagogik" stillen kann. Die Anmeldung erfolgt über die SALF.

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