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Von der Idee zur Projektdokumentation - der zweite Teil der SALF-Tagung zur Demokratiepädagogik

Nach der Aufwärm- und Begrüßungsübung beginnt am zweiten Tag die Ergebnispräsentation aus den zwei Arbeitsgruppen. Das Sammeln von Kriterien für Projekte und die spätere Projektdokumentation regen hierbei lebhafte Diskussionen an und führen zu recht unterschiedlichen Darstellungen.

Für die erste Gruppe ist es wichtig, zu definieren was hinter einem Projekt steht. Man ist sich einig, dass es nicht allein um Problemlösungen handelt, sondern dass die Interaktion zwischen Lehrenden und Schülerinnen bzw. Schülern einen bedeutenden Raum einnehmen müsse. Um solche sozialen Prozesse in Gang zu setzen, bedarf es der aufmerksamen Mitarbeit aller Beteiligter: Projekte demokratischen Handelns lassen das „Ausklinken“ oder „Herausgehen“ Einzelner kaum zu – das gilt für die Lernenden ebenso wie für die Lehrenden. Ein weiteres Kriterium für die Dokumentation von Demokratiepädagogik wird darin gesehen, dass der Lernvorgang insgesamt über die Erfordernisse des Lehrplans hinausgehen und Struktur, Ablauf, Präsentation sowie Evaluierung beinhalten sollte. Wichtig ist die Nachvollziehbarkeit von Rahmen und Ort für den Adressaten und die angemessene sprachliche Gestaltung. Dabei muss unterschieden werden, ob die Dokumentation für eine breite oder eine engere – bspw. schulbezogene – Öffentlichkeit bestimmt ist oder eben funktional für die Teilnahme an einem Förderprogramm wie „Demokratisch Handeln“.

Die zweite Gruppe legt den Fokus ihrer Ergebnispräsentation auf die Wechselbeziehung zwischen Lehrenden und Schülerschaft. In diesem Zusammenhang werden folgende Fragen diskutiert:

- Wie emanzipiert können und dürfen Schülerinnen und Schüler im Projekt sein?

- Versteht sich der Lehrer bzw. die Lehrerin als Prozessbegleiter und -beobachter oder gibt er bzw. sie die Projektziele vor, während Schülerinnen und Schüler erst über das Projekt selbst ihre Fähigkeiten stärken und anwenden?

Projektpräsentation – die Kunst des Feedbacks

Wie wichtig ein Feedback gerade bei der Beschäftigung mit Demokratiepädagogik sein kann, wird im nächsten Schritt, der exemplarischen Diskussion und Beurteilung einer Präsentation im Plenum, deutlich. Jens Tiburski, ein Mathematik- und Informatiklehrer aus Leipzig, stellt sein Projekt „Die virtuelle Schule“ vor – das Plenum hat hierbei die Rolle der „kritischen Freunde“ inne. Entscheidend dabei ist die wohlwollen-kritische Rückmeldung, die sich sachbezogen auf Kriterien stützt. Im ersten Schritt kommen dabei lediglich Verständnisfragen zum Zuge. In einem persönlichen Fazit hat der Referent die Möglichkeit, auf erste Anregungen einzugehen. Bei den Rückmeldungen wird versucht, Ansätze demokratischer Handlungsräume aufzuzeigen. Der Mehrheit der Seminargruppe fehlt es hierbei jedoch an klaren Bezugsgrößen, ja einem vorgegebenen Konzept von Demokratiepädagogik, aus dem eineindeutige Kriterien abgeleitet werden können – eine Hoffnung, die durch Rückfragen der Teilnehmerschaft durchscheint.

Die Tagungsleiter halten demgegenüber an der Offenheit des Verfahrens und der Eigenleistung der Teilnehmer als Beitrag zur Kriterienbildung fest. Für Jens Tiburski ist das Feedback zu seinem Projekt sehr aufschlussreich, gerade in Bezug auf die Chancen der Vermittlung demokratischer Werte im Projektprozess. Denn durch eine Reihe von Beobachtungen und Rückfragen zu Partizipation, zu Aspekten der Selbsttätigkeit bei den Lernenden sowie zur Öffentlichkeit und Transparenz von Schule bis hin zur didaktischen Mikroebene einzelner Unterrichtselemente und -materialien, die durch das Projekt schulweit (und darüber hinausgehend) jedenfalls im Prinzip erschlossen werden können, werden Funktionen in der „Kommunität der Schule“ und damit demokratische Werte fassbar.

Intensivarbeit in den zwei Seminargruppen

Die zwei Gruppen haben in der darauf folgenden Arbeitsphase die Aufgabe – ausgehend von den durch die Teilnehmer selbst repräsentierten Projekten – an Eckpunkten eines Konzepts „demokratischer Werte“  zu arbeiten. Gerade bei der intensiven Diskussion und Analyse der eigenen Projekte ist die Skepsis, dass demokratie-relevante Aspekte und Ansätze des Lernens vorliegen könnten, unverkennbar. Trotz aller Skepsis stellt Sybille Metz ihr Projekt „Schüleraktienindex“ vor. Gemeinsam können eine Reihe demokratischer Akzente im Projekt gesammelt werden. Zudem zeigt die Plenumsdiskussion weitere Elemente einer „Erziehung zur Demokratie“ auf – die von den Betroffenen selbst nicht ohne weiteres unter dieses Rubrum gefasst worden wären. Das bietet allemal Stoff für kritische Nachfragen, aber auch klärende Diskussionen!

Am Ende des zweiten Seminartages stellen beide Gruppen dem Plenum die Ergebnisse der internen Auseinandersetzungen vor. Die Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen sozialer Interaktion im Rahmen des Projekts „Schüleraktienindex“ werden in Form einer Debatte auf der Grundlage der „Soll-Frage“-Methode in Pro und Contra diskutiert – hier lässt der AG-Leiter Harry Beetz seine Kompetenz in regelhaften Diskussions- und Debattierformen zum Zuge kommen. Anschließend werden dem Plenum die gesammelten Demokratieakzente und Hilfestellungen vorgestellt. In der zweiten Gruppe stellt Ricarda Benelli – der EU-Gast aus Italien – ihr in Ravenna umgesetztes Projekt „Hallo Europa – Willkommen in unserer Schule“ vor. Es zeigt sich für den aus überwiegend sächsischen Schulen bestehenden Teilnehmerkreis die interkulturell gefärbte Lebenspraxis auch dieses eigentlich eher abseits der zentralen Linien Italiens liegenden Städtchens und die eher beiläufige Möglichkeit zur Einsicht darin, dass Globalisierung, Fremdheit und Interkulturalität eben überall in Europa neue Herausforderungen generieren.  Bei der Analyse und Diskussion dieses Projekts kann gleich die am Vormittag kennengelernte  Feedback-Methode „Die kritischen Freunde“ erneut erfolgreich ins Spiel gebracht werden.

In einer Abschlussrunde kann nunmehr jeder die Eindrücke seines Tages und die Wünsche für den letzten Tag des Seminars einbringen. Anhand der Arbeit mit den vielen interessanten Projekten wird für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer letztlich doch die konstruktivistisch angehauchte Seminaridee deutlich – die jeden und jede zu eigenverantwortlichen Mitträgern von Verlauf und Ergebnis dieser gemeinsamen Anstrengung ermächtigt, an die Mündigkeit und Mitverantwortung appelliert und die – natürlicherweise – eine eigene Form der Anstrengung und Mitarbeit mit sich bringt. Dennoch: Vom letzten Seminartag endlich erhofft sich der Großteil der Teilnehmer einen theoriebezogenen Impuls zur Demokratiepädagogik.

Interkulturalität im „DAETZ-Centrum“

Am Morgen des letzten Seminartages stellt Peter Daetz, der Gründer und Stifter des Holzkunst- und Interkulturellen-Dialog-Zentrums, seine Idee der Vermittlung von Kenntnissen über verschiedene Kulturen ausgehend von der Holzbildhauerkunst im sächsischen Lichtenstein vor. Um Herausforderungen wie die Globalisierung zu meistern, bedarf es für ihn eines Dialogs der Kulturen. Über das Medium Kunst kann ein solcher Dialog hergestellt werden. Auch über die Zusammenarbeit mit Schulen hat der Stifter und weltgewandte ehemalige Siemens-Manager Vorstellungen. Er appelliert an das Lernen „im anderen Ort“ und in Kontexten eines fächerübergreifenden Unterrichtens. So erarbeitet das Daetz-Centrum derzeit mit Hilfe der Abteilung „Interkulturelle Wirtschaftskommunikation“ der Universität Jena und mit Lehrerinnen und Lehrern aus Mittelschulen und Gymnasien der Region eine Modulstruktur für ein Curriculum der Interkulturalität. In der Plenumsdiskussion wird allerdings auch auf Grenzlinien der Globalisierung hingewiesen, wie sie in der Abgrenzung des südwestlichen Europa gegenüber den Armutsmigranten aus Afrika zum Zuge kommen und in den durch globales Wirtschaften ausgelösten Ängsten innerhalb der westeuropäischen Arbeits- und Industriegesellschaften deutlich werden. Diese großen Herausforderungen für Demokratie und eine ihr gemäße Pädagogik können erwartungsgemäß in dieser knappen Informationsrunde nicht intensiv vertieft werden.

Was trägt die Schule zur Legitimation der Demokratie bei?

Mit dem sich anschließenden Vortrag versucht Wolfgang Beutel den Zusammenhang zwischen Demokratie als Kulturaufgabe – die immer auch Legitimation im Rahmen der sie organisierenden Gesellungen beschaffen und erhalten muss – und schulischer Pädagogik anzureißen: Demokratiepädagogik ist so gesehen ein Beitrag zur Stärkung demokratischer Werthaltungen in der Schule. Eine stabile Demokratie ist ohne Partizipation ihrer Bürgerschaft nicht denkbar. Aufgabe von Schule ist es zwangsläufig, Partizipationsprozesse zu fördern. Allerdings werden dabei Grenzen durch die traditionellen Grundstrukturen der Schule als Institution sichtbar: Teilhabeerfahrungen auf der Grundlage von Schülermitverwaltung oder Leistungsbetreuung stoßen heute immer noch schnell an Grenzen. Anhand des beim Förderprogramm prämierten Projektes „Eine Schule wählt“ aus Bremen sollen hingegen  Chancen der Projektarbeit bei der Legitimation von Demokratie sichtbar werden.

Abschlussrunde: Den Austausch von Wissenschaft und Praxis fördern helfen

Im Anschluss an die daraus resultierende Diskussion über Kriterien der Demokratiepädagogik, wie sie beispielhaft im „Magdeburger Manifest“ ersichtlich sind, gehen die Moderatoren noch auf die Eckpunkte für die Beteiligung am Förderprogramm Demokratisch Handeln und auf Themen kommender Angebote der SALF im Rahmen von deren nach Kontinuität strebenden Fortbildungsangeboten ein. Die Abschlussrunde zeigt, dass ein Aufeinandertreffen von Wissenschaft und Praxis wie bei dieser SALF-Tagung nicht selbstverständlich abläuft und noch kaum vorgegebene Regeln und Rituale kennt, jedoch für beide Seiten Notwendigkeit und Bereicherung zugleich sein kann. Die Runde geht in der Hoffnung auseinander, dass durch die Kollegen demokratiepädagogische Ideen in die Schulen getragen werden und dem Förderprogramm in Form von interessanten Projekten, neue Anregungen und greifbare Projektdokumentationen aus sächsischen Schulen entstehen.

(Sascha Leonhardt, Jena)

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