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Europa auf der Spur: Fragen - Fakten - Erfahrungen.

Schülerinnen und Schüler aus Berlin lernen und sprechen miteinander über den Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Deutschland und Europa.

Es herrscht reges Gedränge im Foyer der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin. Die Gastgeber – nebst der Stiftung das Förderprogramm Demokratisch Handeln – lädt mit seinem Tagesseminar „Europa auf der Spur: Fragen – Fakten – Erfahrungen“ Berliner Schülerinnen und Schüler überwiegend aus den Klassen 10 bis 13 ein, sich einen Tag lang intensiv über Europa und die EU zu informieren und dabei natürlich auch selbst aktiv zu werden.

Gelungene Begrüßung

Der Tag beginnt entspannt um halb zehn mit dem zweisprachigen Chor der Robert-Jungk-Oberschule, an der in Deutsch und Polnisch unterrichtet wird. Die Schülerinnen und Schüler intonieren u.a. eine doppelsprachige Version des pädagogischen Dauerbrenners „Ein bisschen Frieden“ und werden mit Applaus belohnt. Im Anschluss begrüßen für die Gastgeber Kathrein Hölscher (Friedrich-Ebert-Stiftung) und Wolfgang Beutel (Förderprogramm Demokratisch Handeln) die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Beide weisen auf die große Bedeutung Europas im Alltag der Menschen hin und vermitteln mit Beispielen über die kulturelle Vielfalt, den Austausch der einzelnen Regionen, die wirtschaftliche Stabilität und den überwiegendem Frieden in Europa seit dem 2. Weltkrieg einen durchaus emotionalen Zugang zum Thema, jenseits von trockenen „Gesetzesnormen“ und Streitigkeiten über Stimmgewichtungen in EU-Gremien.

Europa als Wertegemeinschaft

Diesen „Roten Faden“ nimmt auch der Bundestagsabgeordnete und stellvertretende europapolitische Sprecher der SPD, Michael Roth, auf. In seinem frei gehaltenen und sehr spontanen Beitrag zum Thema „Europa auf der Spur“ spannt er den Bogen von der überwiegenden Wirtschaftsunion hin zur politischen Wertegemeinschaft und betont die Wichtigkeit von gemeinsamen Standpunkten der Mitgliedsländer, ohne die nationalen und regionalen Unterschiede zu ignorieren. Man merkt Roth an, dass ihm die Europa-Frage persönlich sehr am Herzen liegt. Sein Vortrag gibt auch einen historischen Überblick von den Anfängen der Europäischen Gemeinschaft bis zur EU mit 25 Mitgliedsstaaten. Dabei betont er besonders die für alle EU-Bürgerinnen und Bürger einklagbaren Grundrechte und die friedliche Lösung von Konflikten zwischen einzelnen Nationen innerhalb der EU auf politischer Ebene. Roth stellt sich im Anschluss an seinen Impuls den kritischen Fragen der Schülerinnen und Schüler. Sofort sind provokante Themen auf dem Tisch: Waffenexporte, Umweltverschmutzung und Entwicklungshilfepolitik der EU. Dabei legt der Bundestagsabgeordnete die Konfliktlinien offen, ohne Probleme zu beschönigen und wirbt für Verständnis, wenn noch nicht alle Entscheidungen innerhalb der EU ethisch und sozial ausgewogen seien. Sein Engagement wird mit regem Applaus belohnt.

Selbst aktiv werden: Die Workshops

Nun haben die Schülerinnen und Schüler die Gelegenheit sich in sieben verschiedenen Workshops durch eigenes Tun mit dem Thema Europa auseinander zu setzen. Dabei decken die einzelnen Veranstaltungen zahlreiche Aspekte der Europapolitik ab, von historischen Ansätzen bis hin zu aktuellen tagespolitischen Themen. Die Dozentinnen und Dozenten der Workshops sind hochkarätige Europakenner. Velerio Bonvini, Vertreter der EU-Kommission in Deutschland leitete den Workshop „Die EU gehört auch mir! Europa-Lust statt Brüssler Frust“. Einen provokanten Titel trägt auch die Arbeitsgruppe „Mythos EU – Vorurteile und Wahrheit. Die EU richtig verstehen“, der von Dr. Marco Michel vom Europäischen Informationszentrum geleitet wird. Selbst in die Rolle eines EU-Politikers schlüpfen können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Kurses „Nachwuchseuropäer im ‚Trainingslager’ für die EU – ein Simulationsspiel“ von Christopher Lucht (Perspektive Europa e.V.). Mit den umweltpolitischen Aspekten der Industrienationen beschäftigen sich Susanne Ott und Izabelle Zarebska von der BUNDjugend in ihrem Seminar „Europa, das Klima und ich“. Die aktuelle politische Debatte um ein mögliches EU-Neumitglied, die Türkei, nimmt Matthieu Voss, Doktorand am Institut für internationale Beziehungen Potsdam, in seinem Beitrag „Soll die Türkei Mitglied der Europäischen Union werden?“ auf. Den Umgang mit der (eigenen) Geschichte beleuchtet Brigitte Kather von der Nelson Mandela International School, in ihrem Workshop „Europa im Widerstand – welche Rolle spielt die Erinnerung an Widerstand (gegen das NS-Regime) heute?“. Themenoffen agieren Mariella Falkenhain, Laura Korbmacher und Jens Jenssen (Junge Europäische Bewegung) bei ihrem Diskussionsforum „EUre Debatte – Was ist euch wichtig?“, die sich mit allen Aspekten der EU-Politik auseinandersetzt.

Um ein persönliches miteinander Diskutieren zu ermöglichen, ist die Teilnehmerzahl auf max. 30 Personen pro Veranstaltung begrenzt. Die Schülerinnen und Schüler nutzen die Gelegenheit zu kontroversen Diskussion und dem Austausch untereinander. Nach rund zwei Stunden mit intensivem Programm in den Workshops, ist das gemeinsame Mittagessen verdient.

Eigene Erfahrungen sammeln

Anschließend werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Hiltrun Hütsch-Seide vom Förderprogramm Demokratisch Handeln und Kathrein Hölscher (Friedrich-Ebert-Stiftung) im Foyer empfangen. Beide Gastgeberinnen spannen den Bogen von den soeben beendeten Workshops zum gemeinsamen Nachmittagsprogramm. Zunächst gastiert das „Theater der Erfahrungen“, bestehend aus Schülerinnen und Schülern sowie älteren Menschen mit einer Bühnenimprovisation über Heimat, Immigration und Identität. Die Performance zeigt: Deutschland ist ein Einwanderungsland mit unterschiedlichen Kulturen und Erfahrungen seiner Bevölkerung und einer beeindruckenden Vielfalt an Einflüssen unterschiedlicher Traditionen. Die Schauspielerinnen und Schauspieler ernten viel Applaus.

Nachdenklich stimmt im Anschluss der Film „Europa für den Frieden – Frieden für Europa“, den Schüler der Heinrich-Schliemann-Oberschule gedreht haben. Er dokumentiert den Austausch mit Schülerinnen und Schülern aus Moskau, anlässlich des 60. Jahrestages der Befreiung Berlins durch die Rote Armee 2005. Die Schülergruppe aus Deutschen und Russen besucht in Berlin das Sowjetische Ehrenmal im Treptower Park und setzt sich gemeinsam mit der Geschichte des 2. Weltkriegs auseinander. Im Gegenzug besuchen die deutschen Schülerinnen und Schüler Moskau zum Tag der Befreiung. Sie nehmen an den Gedenkfeierlichkeiten zum Ende des 2. Weltkrieges teil und legen einen Kranz am Grabmal des unbekannten Soldaten nieder. Der Film dokumentiert das Projekt eindrücklich, so dass die Zuschauer nach dem Abspann zunächst einige Sekunden nachdenklich schweigen, bevor die Filmemacher Applaus ernten.

Der „Markt der Möglichkeiten“

Zum Abschluss des Tages haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf dem „Markt der Möglichkeiten“ im Erdgeschoss die Gelegenheit, eine Ausstellung herausragender Schulprojekte zum Thema Europa zu entdecken. Die Spanne der dokumentierten Projekte reicht von einer Bildungsreise nach Istanbul über ein Projekt zu grenzübergreifenden Betriebspraktika bis hin zu einem Deutsch-Polnischen Recyclingprojekt. Um eine intensive Auseinandersetzung mit den einzelnen Unternehmungen zu ermöglichen, erhält jeder Seminarteilnehmer einen kleinen Fragebogen, auf dem er Antworten zu einem der insgesamt 13 ausgestellten Projekte eintragen soll. Diese Fragebogen dienen den Veranstaltern auch als Rückmeldung der Teilnehmerschaft zum Seminartag, denn auch Fragen zum Tagesverlauf werden gestellt. Als gemeinsamen Schlusspunkt der Veranstaltung initiieren Hiltrun Hütsch-Seide und Kathrein Hölscher im Foyer noch ein kleines Europaquiz, in dem sich Wissensfragen wie die nach der Einwohnerzahl Europas oder der Anzahl der im EU-Parlament gesprochenen Amtssprachen mit Schätzfragen z.B. nach der Normung von Gurken abwechseln. Gegen 16:30 Uhr endet der ereignisreiche Tag zum Thema „Europa auf der Spur“ mit sichtlich zufriedenen, aber nun auch etwas müden Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

(Dirk M. Obertländer, Berlin)

 

 
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