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Grußwort zum Symposium "20 Jahre Wettbewerb Förderprogramm Demokratisch Handeln", Jena, 10. September 2009

Sehr geehrter Herr Minister Müller,
sehr geehrte Frau Dr. h.c. Hamm-Brücher,
sehr geehrter Herr Dr. Schenker,
liebe Kollegen Fauser und Beutel,
liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Gäste,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

auch von Seiten der Friedrich-Schiller-Universität Jena möchte ich in den Chor der Gratulanten zu 20 Jahre Förderprogramm Demokratisch Handeln einstimmen. Ich verbinde dies mit einem nachhaltigen Dank der Universität für die überaus reiche Ausgestaltung, die dieses Programm hier in Jena erfahren hat und die zu Recht bundesweiter Aufmerksamkeit sicher sein kann.

Die Friedrich-Schiller-Universität Jena hat in ihrer Grundordnung festgehalten, dass die Erfahrung totalitärer und autoritärer Staatlichkeit als bleibende Mahnung verstanden werden muss, demokratische Verantwortung zu fördern und zu demokratischer Verantwortung heranzubilden. Die Universität hat deshalb allen Grund, besonders dankbar zu sein für das dauerhafte Bemühen des Fördervereins Demokratisch Handeln e.V., "am grünen Holz" Begeisterung für Demokratie zu wecken, das "Demokratie Lernen" zu konzipieren und in vielfältiger Weise zu fördern.

Demokratie und demokratisches Handeln sind keine Naturphänomene und fallen nicht vom Himmel, sie müssen in der Tat erlernt werden. Dass Demokratie gelernt werden muss, und zwar gründlich, ist schon daraus ersichtlich, dass die Demokratie die anspruchsvollste Ordnung politischer Verantwortung ist, die wir kennen. Und was für Monarchen und die Aristokratie über Jahrhunderte selbstverständlich war, gilt erst recht für Demokraten: Demokratische Verantwortung muss gebildet werden und kann nur auf dem Fundament breiter demokratischer Bildung wachsen. Demokratie braucht Kenntnisse von Regeln und Verfahren, von ihrem Wert, aber sicher auch von ihren Grenzen. Demokratie braucht Kenntnisse der politischen Geschichte, schon als Ideenreservoir, aber sicher auch als Hilfe zur realistischen Einschätzung des je Möglichen. Demokratisches Handeln bedarf besonderer Fähigkeiten und Grundhaltungen etwa der Kompromissfindung, Toleranz und gegenseitigen Achtung, gerade in Meinungsverschiedenheiten und im Meinungsstreit. Und Demokratie braucht oft genug Geduld und langen Atem, wie keiner nachdrücklicher betont hat als Max Weber in seiner Vorlesung über den Beruf zur Politik.

All dies ist alles andere als selbstverständlich, im Gegenteil, und das erfahren wir ja gerade in aufgeheizten Wahlkampfzeiten: es ist ständigen Bedrohungen, Gefährdungen und Versuchungen ausgesetzt. Und: es muss in jeder Epoche und in jeder Generation neu erlernt, eingeübt und durch kritische Reflexion gehärtet werden. Wir alle kennen die Versuchungen: beim kleinsten Misserfolg ist z.B. der Ruf nach hartem Durchgreifen, nach schärferen Gesetzen wohlfeil, woraus letztlich die Sehnsucht nach einem mechanischen Verlauf der Weltgeschichte nach berechenbaren Gesetzen spricht, eine Sehnsucht, die im Grunde das genaue Gegenteil von Demokratie als einer politischen Verantwortungsordnung ist, die jeden in die Pflicht nimmt.

Wie schwierig Demokratie ist – und wie nachdrücklich deshalb Ihre Bemühungen unterstrichen werden müssen -, erhellt eine Passage aus dem Feuilleton der FAZ vom 5. September, in dem Journalisten über ihre Lehrer schrieben. Im Beitrag von Marcus Jauer heißt es dort:

"Wenige Wochen später fiel die Mauer. Herr G. wurde vom Lehrerkollektiv abgewählt, und ein paar Schüler hängten am Schwarzen Brett, das damals noch Wandzeitung hieß, eine Liste mit Fächern auf, die abgeschafft werden sollten. Russisch landete oben auf der Liste, die mit jedem Tag länger wurde und auf der am Ende alle Fächer standen außer Zeichnen. Den Sport hatten die Dicken aufgeschrieben. Wir fingen damals gerade erst an mit der Demokratie, da lief die Sache schon aus dem Ruder."

Das ist ein sehr nachdenkenswerter Text, besonders dort, wo Demokratie ausschließlich vom Einzelnen her und nicht auch mit dem gleichzeitigen Blick der Verantwortung für das Ganze, sagen wir ruhig: für das Volk, verstanden, gesehen und praktiziert wird. Vielleicht eignet sich der Text als Ausgangspunkt für ein neues Projekt "Demokratisch Handeln".

Den nochmaligen Dank der Universität verbinde ich also mit der Bitte um intensives Weitermachen, und der Dank und die Freude der Universität gilt allen, die in den 20 Jahren bisher und die heute mitgeholfen haben und mithelfen.

(Prof. Dr. Klaus Dicke, Rektor der Friedrich-Schiller-Universität)

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